top of page
Suche
  • AutorenbildJohannes Rehren

Beerdigung bei den Herero

Schon lange gab es keinen Blogbeitrag mehr. Immer noch überschlagen sich die Ereignisse, sodass ich nur selten Zeit finde über Erlebtes zu reflektieren und mich und meine Gedanken zu sortieren. Es gibt viele Dinge über die ich schreiben möchte und die ich versuchen werde demnächst nacheinander abzuarbeiten. Zunächst möchte ich starten mit einer Beerdigung bei dem Volk der Herero, an der wir teilhaben konnten und die sich vorletztes Wochenende ereignete. Die Herero sind ein Südwestafrikanisches Volk, ursprünglich abstammend in Namibia, welche allerdings mittlerweile auch zu einer größeren Anzahl in Botswana leben. Am besten sind sie an den prächtigen viktorianischen Kleidern zu erkennen und ihren Hüten, die den Hörnern einer Kuh ähneln sollen, die die Frauen tragen (Hier im Hintergrund zu erkennen). Der Mann neben mir ist übrigens Silvester, ein sehr guter Freund und Arbeitskollege von mir.



Bonty hatte durch einen Verwandten vom Tod eines ihrer Mitglieder gehört und hatte uns gefragt, ob wir mitkommen möchten. Ohne lange nachzudenken haben wir natürlich zugesagt gespannt auf das, was uns dort erwartet. Die Beerdigung fand in der Nähe des Cattleposts (eine Art Farm und Rettungsanker, die ein Paar bei ihrer Hochzeit vermacht bekommt) der Angehörigen statt und somit weit draußen im Busch. Da die Beerdigung traditionell früh am Morgen um circa 4 Uhr beginnt, machten wir uns am Vortag also mit Bontys 4-Wheel Drive, Zelten und genügend Proviant auf Tour und fuhren durch die karge Landschaft immer weiter aus Maun heraus.



Spät abends um 10 Uhr waren wir dann endlich angekommen. Eine kurze Begrüßung später wimmelte es von Kindern, die uns beim Aufbau unserer Zelte mit einer außerordentlichen Tatkräftigkeit unterstützten, sodass wir in Nullkommanichts fertig wurden, um das Feuer saßen und Gespräche führten.

Später kam auch der Sohn des Verstorbenen, Israel, mit dazu und begrüßte uns. Er musste sich herausschleichen, da die Tradition ihm normalerweise verbietet das Haus zu verlassen. Wie ich später feststellte ist er eine sehr intelligente Person, die es liebt Konversationen, wie auch Debatten zu führen.

Die erste Frage, die er mir stellte lautete. „Was weißt du über die Beziehung zwischen Deutschland und Namibia?“

… Da hatte er mich erwischt. Was wusste ich schon. Wir hatten in der Schule nie darüber geredet. Allgemein hatte ich nie das Gefühl, dass diese Beziehung in unserer Gesellschaft groß thematisiert wird. Also erzählte ich ihm das. Das ich zwar weiß, dass Deutschland für die Kolonisation von Namibia verantwortlich war aber sonst nichts und ich mich ertappt fühlte. Ich erzählte ihm auch über die Lücke dieses Themas in unserem Bildungssystem und das ich dies bedauere. Allerdings wusste ich zu diesem Zeitpunkt noch nichts von dem schrecklichen Genozid der deutschen Reichsregierung am Volk der Herero und der Nama. Ich redete also mit einem Nachkommen der Überlebenden, der nun in der Diaspora lebt und er musste mir erzählen, wie die deutsche Kolonisationsmacht vor rund 120 Jahren rund 80% seines Volkes ermordete, verdursten ließ und in Konzentrationslagern umbrachte und ich hatte noch NIE so richtig davon gehört. Das warf Fragen in mir auf. Wie konnte es sein, dass ich noch nie davon gehört hatte? Muss ich mich schuldig fühlen für Verbrechen, die mein Land 100 Jahre vor meiner Geburt getan hatte? Fragen die ich bis heute nicht zu 100% beantworten kann. Zum Zweck dieses Eintrags hatte ich jedoch etwas recherchiert und davon erfahren wie es zu diesem Genozid kam. Bis 2015 hat es gedauert bis die deutsche Regierung die Ereignisse in Namibia als Völkermord anerkannte. Eine Entschädigungszahlung gab es bis heute nicht. Stattdessen bot die Bundesregierung weitere Entwicklungsgelder in Höhe von 1,1 Milliarden Euro verteilt über die nächsten 30 Jahre an. Das alles musste ich erstmal sacken lassen. Ich kann zwar nichts an der Vergangenheit ändern und diese große Schuld für etwas das nicht zu meinen Lebzeiten geschah auf mich nehmen, allerdings denke ich können wir darüber informiert und aufgeklärt sein. Ein Bewusstsein für die Geschehnisse der deutschen Kolonialzeit entwickeln und den Menschen der Herero, die solange dafür gekämpft haben gehört zu werden, zeigen, dass wir sie sehen. Wer sich mehr für das Thema interessiert, dem lege ich nah den Wikipedia Artikel dazu zu lesen. https://de.wikipedia.org/wiki/Völkermord_an_den_Herero_und_Nama

Zum Glück war die Beerdigung aber weitaus mehr als nur bedrückte Stimmung. Die Menschen freuten sich beisammen zu sein und freuten sich auch darüber, dass wir uns für ihre Tradition interessierten. Der Abend endete mit gut gefüllten Gläsern, interessanten Gesprächen und schließlich mit sehr müden Gesichtern.

Leider wurde die Beerdigung auf den nächsten Tag verschoben, weshalb wir allerdings die Gelegenheit erhielten bei den Vorbereitungen zu helfen. Luna durfte mit den Frauen kochen und ich „durfte“ mit den Männern eine Kuh häuten.



Eine Erfahrung die ich nicht gerne gemacht habe, allerdings machen wollte. Ich möchte nicht mit dem Mindset Fleisch essen, meine Augen zu verschließen und den Prozess, wie das Fleisch von der Weide schlussendlich auf unseren Teller kommt, einfach auszublenden.

Wenn ich letztendlich dann doch mal einen Hamburger bei McDonalds esse habe ich mir zumindest nun die Hände schmutzig gemacht. Das Bild der langsam ausblutenden Kuh, während sich ihr Brustkorb dennoch auf und ab bewegt hat bei mir jedoch abermals Gedanken über meinen Fleischkonsum ausgelöst und mich zum Schluss kommen lassen, dass ich auf Fleisch verzichten werde. Ich möchte nicht das ein anderes Individuum für meinen Genuss sterben muss, obwohl ich es zum Überleben nicht notwendig benötige. Während ich hier bin ist eine fleischlose Ernährung für mich allerdings sehr schwer umzusetzen, weshalb ich damit inkonsequenter Weise bis zu meiner Rückkehr nach Deutschland warten werde.

Luna und ich hatten leider für das Wochenende noch weitere Pläne, weshalb wir uns im Laufe des Tages verabschiedeten, uns von Bonty zur Straße fahren ließen und mit dem Bus nach Hause fuhren. Die Busfahrt war auch ein Highlight für sich selbst mit guter Gesellschaft und aufregendem Fahrverhalten. Am besten sprechen da die Bilder für sich selbst.



Das soll es aber auch damit wieder gewesen sein. Für mich war die Beerdigung bei den Herero eine der bisher prägendsten Erfahrungen und ich hoffe, dass ich Euch einige meiner Gedanken in diesem Blogeintrag ganz gut vermitteln und den ein oder anderen vielleicht selber nochmal nachdenklich stimmen konnte.

51 Ansichten1 Kommentar

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen

1 Monat Fazit

Beitrag: Blog2_Post
bottom of page